Wie wir in ein neues Spießbürgertum gesteuert werden

April 26, 2010 at 6:29 pm (Uncategorized)

Seit langem fahre ich einmal wöchentlich zu meinem Großvater um für ihn einzukaufen, kleinere Erledigungen zu machen und ihm einfach Gesellschaft zu leisten. Hierzu gehört auch immer schon eine mehrstündige TV-Bespaßung.
Der Fernseher ist das einzige Fenster in die Wirklichkeit, so man das gezeigte so nennen möchte, das mein Großvater noch hat. Er kann nicht mehr spazieren gehen, soziale Kontakte sind durch den Wegzug und Tod alter Freunde komplett eingeschlafen, seine Nachbarn kennt er nur noch in Ausnahmefällen und somit freut er sich, dass zumindest die 106cm LED-Wand vor ihm noch die Welt eröffnet.
Er macht hier auch durchaus eine Entwicklung durch, war es erst nur QVC, wanderte er langsam über den Heimatkanal und Center TV in „normale“ Stationen, hier insbesondere zu den Dritten. Soviel nur zur Einleitung.

Seit nunmehr einem guten Jahr besteht das Freitagnachmittagsprogramm nun also aus den Lokalsendungen des Dritten. Hierbei fällt mir immer stärker auf, wie die Redakteure scheinbar versuchen unterbewusst eine bestimmte politische und gesellschaftliche Richtung zu fördern, zu steigern und in den Köpfen der Zuschauer zu implementieren.

Ich nenne es mal „Förderung des Spießertums und der guten alten Werte“

Dabei gehen die Sendungen äußerst subtil vor. Berichte über Heimatverbundenheit, Vorstadtsiedlungen, Nachbarschaft, die richtige Gartenpflege, Kochen wie in der guten alten Zeit, Familie, Reiseberichte,… alles entsprechend aufgemacht und dargestellt. Auf der anderen Seite stehen Berichte die Neuerungen der Gesellschaft darstellen, die moderne Familienkultur mit Scheidungen, die nun mal an der Tagesordnung stehen, Altenheime in die man die Großeltern abschiebt mit allem was da schlecht läuft, Jugendkriminalität, besonders unter Immigranten, die Lage des Gesundheitssystems, das Internet…

Hier werden Berichte gezeigt über Nachbarschaften, die sich zusammentun um endlich mal gemeinsam anzupacken und die marode Straße zu restaurieren, statt sich auf den Staat zu verlassen, der eh nichts daran ändert. Der eine „Führer“ der Nachbarn der das ganze initiiert hat wird gezeigt, diejenigen die auch noch für das leibliche Wohl sorgen, aber auch, und das finde ich besonders perfide, diejenigen die sich weigern hierbei mitzumachen.

Besonders bedenklich, da eher für das Unterbewusstsein gedacht, ist grundsätzlich die Auswahl der musikalischen Untermalung. Durch meine Affinität zu Filmmusiken, habe ich über die Jahre gelernt welche Musik, welche Wirkung in Bezug auf das Gezeigte hat. Fröhliche Stücke können selbst negative Bilder positiv erscheinen lassen, dunkle Töne dagegen sind in der Lage bei neutralen Bildern unterbewusst Abscheu oder auch Zorn zu erzeugen ohne dass einem diese Emotionen wirklich bewusst wären. Und dieses Wissen um die psychologische Wirkung von Klängen wird anscheinend hemmungslos ausgenutzt. Bei oben genanntem Beispiel der Nachbarschaftsaktion kommen dann kurz die Teilnehmer zu Wort, dass natürlich nicht jeder mitgemacht hätte, gefolgt von einem Schnitt auf geschlossene Haustüren unterlegt mit einer düsteren Musik, dass auch wirklich jeder weiß, da wohnt ein unkameradschaftlicher Mistkerl.

Reiseberichte betreffen grundsätzlich nur das eigene Land, okay hier muss ich seit letzter Woche einen Einschub machen, denn immerhin gab es eine Radtour in Holland. Ach wie schön ist doch Deutschland, immer mit dem Einschub, dass man ja gar nicht so weit reisen bräuchte. Wieso nicht mal nach Baden-Baden reisen, oder Radtouren im Rheinland, Wanderungen im Schwarzwald, da ist es doch genau so schön, wie im Ausland. Und, hier hatte man ja jetzt einen netten Aufhänger, man hat keine Probleme mit Aschewolken, denn da kommt man ja mit dem Auto oder auch der guten deutschen Bahn heim.

Ich muss wohl nicht dazu sagen, dass mein Großvater sich sehr über die ganzen Deppen echauffierte die meinen sie müssten immer wegfliegen und es geschähe denen doch ganz recht, dass sie jetzt fest sitzen, er wäre ja auch nicht im Ausland gewesen und hier ist es schließlich auch sehr schön.Hier sieht man schon sehr schön die Wirkung, die diese Berichte haben können, aber es geht ja noch weiter.

Berichte über Familien zeigen immer schön den guten deutschen Zusammenhalt, Oma wohnt mit im Haus oder hilft zumindest bei der Erziehung der Enkel, Papa arbeitet, Mama schmeißt den Haushalt, besser könnte es Eva Herrmann auch nicht propagieren. Wir sehen, wie man zusammen einkauft, zusammen kocht, zusammen isst und wie wohlgeraten die Kinder doch sind.
Aber natürlich ist nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen im Dritten-Land, nein es gibt doch tatsächlich Familien im Land, die sich nicht in 50 Jahre alte Norm-Werte pressen lassen. Scheidungskinder, Homosexuelle (wenn die auch nur sehr, seeehr selten mal vorkommen), Rentner die nicht bei der Familie sondern im Altenheim leben.
Hier ist die Berichterstattung wieder sehr negativ, natürlich mit entsprechender musikalischer Untermalung um klar zu machen, so was tut man nicht.

Aufhorchen musste ich besonders bei einem Bericht über ein älteres Ehepaar. Sie pflegt ihren Ehemann, so wie es sich gehört, und nimmt sich für eine Woche eine Auszeit um Zeit für sich zu haben und zur Ruhe zu kommen während ihr Gatte vorübergehend in einer Pflegeeinrichtung unterkommt.. Als sie zurück kommt und ihren Mann wieder zu sich holen will ist dieser, natürlich, total unterernährt, dehydriert und hat sich außerdem noch das Bein gebrochen. Dramatische Musik, Schnitt zur Klinikleitung, die sich das überhaupt nicht erklären kann, Schnitt wieder zur Dame, die die Hand ihres Mannes in Händen hält, und das Fazit dieses Berichtes ausspricht: „Nein, meinen Mann werde ich nie wieder alleine lassen, den Pflege ich bis einer von uns im Grab ist“
So wie es sich gehört halt…
In solchen Situationen nickt mein Großvater nur wissend, insbesondere in der derzeitigen Situation in der klar ist, dass er nun doch langsam einer gewissen Pflege bedarf und er nicht versteht warum keiner aus der Familie das kann, das muss doch neben der Vollzeitarbeit noch irgendwie gehen.

So geht das munter weiter, wir lernen welche Naturheilmittel doch Oma noch kannte und dass man die ganze moderne Medizin doch nur in Ausnahmefällen benötigt wenn man sich nur des alten Wissens bedient, Kochrezepte „wie bei Muttern“, das ganze vermischt mit ein paar chauvinistischen Witzen der männlichen Moderatoren über die die Moderatorin dann mit maximaler Weiblichkeit kichern darf, wir hören was für tolle Haustiere doch die guten alten Dackel sind, oder erfahren wie schlimm doch die Jugendkriminalität geworden ist. Hierbei werden dann sehr gerne jugendliche Immigranten gezeigt, selbst wenn die in dem aktuellen Fall, der hier als Aufhänger dient, gar nicht aktiv waren. Natürlich auch wiederum mit maximal negativer Musik.

Das Phänomen beschränkt sich natürlich nicht auf die dritten Programme auch wenn die Privatsender mit ihren Realityshows in erster Linie dafür sorgen, dass die Zuschauer ihr Hirn abschalten und sich am Leid der anderen ergötzen. Aber auch in anderen Bereichen fällt mir immer häufiger auf, dass ein gewisses Weltbild propagiert wird.
In der Werbung ist es grundsätzlich die Mutter die sich um die Kinder kümmert, das oberste Gut ist das Häuschen mit Vorgarten, mit der Familienkutsche vor der Tür.
Vor einigen Jahren war „Wenn ich groß bin will ich ein Spießer sein“ noch ein netter Werbegag, heutzutage scheint es, zumindest unterbewusst die Nachricht zu sein die man den Konsumenten unterjubeln will.

Dass die Medien immer schon versuchten uns in eine bestimmte Richtung zu führen ist wohl nichts neues, aber dieses neue Spießbürgertum stößt mir doch extrem auf. Ich fühle mich teilweise an den Film „Sie Leben“ erinnert, wohl eines der besten Werke von John Carpenter.

Nein Leute, ich werde meine Sonnenbrille nicht absetzen, wenn ihr wollt, dann konsumiert und vermehrt euch nur fleißig weiter.

Einzig bleibt die Frage: Zu welchem Zweck?

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Manche Entscheidungen kommen immer wieder

April 26, 2010 at 8:14 am (Uncategorized)

Die Tatsache, dass der graue Wolf wieder mal im Krankenhaus gelandet ist hat einige alte Fragen wieder aktuell werden lassen. Da der graue Wolf aufgrund seiner kaputten Gelenke in Zukunft einige Probleme haben wird alleine zu sein startet nun die Diskussion wie wir das  ganze in Zukunft regeln wollen. Die beste Mutter von Allen rotiert grad entsprechend, zumal das Krankenhaus den grauen Wolf wohl vorzeitig entlassen wird. Sollten wir nicht bald mit dem Sozialdienst einen Pflegedienst bekommen müssen wir uns wohl eine neue Lösung übelegen. Hierr kommt wieder meine damalige Überlegung zu Tage, mit ihm eine WG zu gründen.

Vielleicht zieh ich erstmal unter der Woche zu ihm um ihm zumindest abends Gesellschaft zu leisten und zu versuchen im das Leben einfaher zu machen. Natürlich muss ich da erstmal mit der besten Mutter von Allen drüber reden aberirgendeine Lösung muss her und das recht schnell…

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