Entschleunigung

Dezember 19, 2012 at 2:04 pm (Uncategorized)

Dieser Text basiert auf einem Stz des amerikanischen Komikers Louis Ck und er hat mich mit seiner Grundidee sehr beeindruckt.

 

Schneller, höher, weiter. Das ist nicht nur das olympische Motto, nein es wird mehr und mehr das Motto der gesamten Menschheit. Wir befinden uns alle in einem ständigen olympischen Wettkampf gegen uns selbst, gegen die anderen und, was am schwersten wiegt gegen einen Gegner, den wir nicht besiegen können: Die Zeit.

Das Problem an der Sache: Anders als Olympioniken trainieren wir nicht beständig unter Nicht-Wettkampf-Bedingungen und müssen auch nicht nur für 2 Wochen im Jahr wirklich kämpfen.
Unser ganz persönlicher Wettkampf findet untrainiert  statt und das 24 Stunden, 7 Tage die Woche.

Man sollte meinen, dass uns die moderne Technik dabei hilft diesen Kampf zu gewinnen, aber tut sie das wirklich?

Bitte nicht falsch verstehen, ich bin ein großer Fan von Technik, ich liebe meine kleinen Gadgets mit denen ich mich umgebe, mein Smartphone, Tablet, Laptop, Auto oder die Kaffeemaschine die mich morgens aus dem Reich der Träume reißt.

Womit ich aber ein Problem habe, ist die Tatsache, dass die Menschen mehr und mehr auf die Technik vertrauen, ohne auch nur ansatzweise zu hinterfragen ob das in dem Ausmaß so sein muss. Und wehe eines der Geräte tut mal nicht 5 Minuten seine Pflicht.

Man hasst *hier bitte beliebigen Mobilfunkanbieter eintragen* weil schon wieder für 5 Minuten der Empfang nicht so toll ist.
Die Bahn ist echt das Letzte weil man bei einer Strecke von 300km schon wieder 10 Minuten Verspätung eingefahren hat.
Und dass der Flug nach Malle erst mit 2 Stunden Verspätung durchgeführt wird, weil das Kabinenpersonal ausgerechnet in meinem Urlaub für eine lebenswürdige Bezahlung streikt kann ja wohl nicht wahr sein. Wo ist Zeus, wenn man ihn mal wieder braucht um ein paar Leuten einen Blitz in den Hintern zu donnern?

Du regst dich allen Ernstes darüber auf, dass du 2 Stunden warten musstest bevor du mit fast Schallgeschwindigkeit in 10km Höhe quer über den halben Planeten schießt?
Wie wäre es mal mit ein wenig Perspektive? Wenn deine Ur-Großeltern Urlaub auf Malle hätten machen wollen,  wären sie vermutlich Jahre unterwegs gewesen, hätten die Alpen überqueren und dann noch ein mittelmeertaugliches Schiff bauen müssen. Sind 2 Stunden da tatsächlich ein Grund zur Beschwerde? Die Tatsache, dass uns solch ein technisches Wunder zur Verfügung steht, sollte eigentlich Grund genug sein, sich darüber zu freuen, dass es überhaupt möglich ist, anstatt sich über kleine Unzulänglichkeiten zu ärgern.

Und ja, auch die Bahn sorgt für manche Verspätungen. Aber nehmen wir einfach mal, man möchte von Düsseldorf nach Mainz reisen. Und hier sei ebenso angenommen, dass es einen Grund gibt dies zu tun, auch wenn mir grade spontan keiner einfallen möchte.
Wenn man die Bahn nimmt benötigt man hierfür gute 2 Stunden (hab ich extra nachgeschaut). Natürlich wären 30 Minuten Verspätung in Relation zur gesamten Reisezeit eine Menge, immerhin 25%. Aber bist du die Strecke mal gelaufen? Ich schon (daher auch dieses spezielle Beispiel). 250km sind vermutlich mehr, als du dir zu laufen auch nur vorstellen kannst. Mit 10 Kilo Gepäck habe ich dafür 6 Tage gebraucht. 6 Tage, da sind 30 Minuten doch plötzlich wieder eine relativ kurze Zeit, oder irre ich mich?

Wie wäre es einfach damit, sich das mal wirklich vor Augen zu führen, wie lange es ohne die Technik dauern würde etwas zu tun, bevor man sich in Rage redet wegen kleinerer Verzögerungen?

Natürlich hat man Termine, wird unter Druck gesetzt pünktlich zu sein, aber muss das wirklich?

Bestes Beispiel hierfür ist die schriftliche Kommunikation.

Wie lief das noch vor 20 Jahren ab?
Man hat sein Anliegen aufgeschrieben, in ein Kuvert gesteckt, in einen gelben Schlitz gesteckt und der Empfänger hatte den Brief dann am nächsten Tag (wenn alles gut ging) auf dem Tisch. Wenn er schnell war hat er noch am selben Tag die Antwort geschrieben und ebenso verschickt.
Eine Antwort hatte man also nach frühestens 48 Stunden, eher 72 oder gar 96.
Heute? Man schickt schnell eine Email, und wenn man nach 30 Minuten noch keine zufriedenstellende Antwort hat einen Reminder ob man vergessen worden ist, gerne auch gepaart mit einem Anruf und einer Voicemail.
Warum dieser Zwang zur Geschwindigkeit? Ich denke ich kann mit Sicherheit sagen, dass nur in den seltensten Fällen eine so zügige Antwort notwendig ist.
Schön finde ich auch, wenn in geschäftlichen Emails grundsätzlich jede Email mit dem Wichtigkeitsvermerk und gerne auch einer Anzahl von Ausrufe- und Fragezeichen versehen wird die auf einen epileptischen Anfall beim Tippen schließen lassen. Auf Gruß und Abschiedsformeln wird hierbei auch gerne mal verzichtet oder sie kommt nur rudimentär zum Einsatz.
Aus einem „Sehr geehrter Herr/Sehr geehrte Dame“ wird ein „Hi“, aus dem schönen Satz „Ich verbleibe hochachtungsvoll“ ein kurzes „VG“ oder, wenn es mal sehr nett formuliert ist, findet sich auch mal ein „Danke“ am Ende der Mail.  Der Höhepunkt hierbei ist für mich jemand, der unter seine Mails auf sämtliche Abschiedsfloskeln verzichtet und stattdessen nur den Anfangsbuchstaben seines Vornamens schreibt.

Wie sind wir so geworden? Wieso müssen wir durch unser Leben rennen? Es tut mir leid, aber ein Notarzt oder Herzchirurg darf sich gerne über 5 Minuten Verspätung beschweren, andere sollten darüber nachdenken über welchen Luxus sie jammern.

Und ja, auch ich war bislang immer sauer, wenn ich mal wieder 10 Minuten auf meine S-Bahn warten musste, werde in Zukunft aber versuchen daran zu denken, dass ich ohne die S-Bahn gute 6 Stunden nach Hause laufen müsste. Da nehme ich 10 Minuten durchaus in Kauf. Und wenn ich dringend zu einem Termin erscheinen muss, vielleicht sollte ich dann einfach mal auf Nummer sicher gehen und einfach eine Bahn früher nehmen? Auch wenn das meinen Luxus des ausgiebigen Morgenkaffees etwas schmälern würde.

Vielleicht, ja vielleicht täte uns allen ein wenig Entschleunigung ganz gut. Einfach um mal wieder die Relation zu sehen.
Zu sehen, dass es nicht immer notwendig ist, dass alles jetzt und sofort sein muss, sondern gut Ding auch mal Weile haben will.
Den Druck, den wir haben, machen wir uns und unseren Mitmenschen im Grunde genommen selber und machen uns das Leben damit nur gegenseitig und unnötig schwer.

Und vielleicht sollten wir all die nützlichen Hilfen, die uns das Leben und die Technik schenken als solche sehen. Hilfen, aber nicht Diktatoren. Und wenn mal was nicht geht, dann geht es halt nicht, ich wette es gibt genug Anderes und vor allem Sinnvolleres zu tun und sei  es nur anzuhalten und den Duft der Rosen zu genießen, denn das Leben ist zu kurz um an ihnen vorbei zu hetzen.

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